Revolutioniert ein Global Health CoCreator die Translationale Medizin?

Erfolgreiche Forschungsförderung – Invention – und effektive translationale Medizin – Innovation – brauchen ein grundlegendes Umdenken – angefangen bei den zugrunde liegenden Annahmen und Denkmodellen bis hin zur Organisation der IT gestützten Innovation. Ich habe daher eine etwas andere Sicht auf die Hürden, die es zu überwinden gilt, als Thomas Sattelberger in transcript 02/2019.

Eine überwiegend sequentielle, Spezialisten getriebene Arbeitsweise mit völlig unterschiedlichen Anreizsystemen, die jedes für sich schon länger in der Kritik stehen, treffen aufeinander, wenn Life Science Forschung, Medizintechnik, Biotech/Pharma und jetzt auch Digital Health in den Gesundheitsbereich wollen. Für die Einen ist es ein Markt, Andere sehen darin einen Beitrag des Staates zur Daseinsvorsorge. Die Einen sehen nur die Patienten, die Anderen die hohe Profitabilität und die Dritten die interessanten Arbeitsplätze, Steuereinnahmen und Krankenkassenbeiträge. Unsichtbar bleiben allein der Zahler und seine Interessen.

Wir leisten es uns seit Jahrzehnten, Innovationen und Unternehmen anzufüttern und dann die Türen geschlossen zu lassen. Wie bauen immer neue Innovationsförderagenturen, Inkubatoren, Acceleratoren, verschwenden Ressourcen ohne die Chance auf Erfolg, weil uns eine systemische Sicht fehlt. Wir erlauben es aber auch, dass die Forschungs- und Förderschwerpunkte durch betriebswirtschaftliche Interessen dominiert werden, die geschickt Chroniker erzeugen, um sie bis zum möglichst späten Tod zu begleiten. Lösungen zur Erhaltung einer fitten und arbeitsfähigen Bevölkerung, zur Gesunderhaltung, dem wichtigsten persönlichen und volkswirtschaftlichen Vermögen, kommen zu kurz. Morbiditäten fußen auf Abrechnungsdaten statt Fakten. Und die Politik lässt es zu!

Eine grundlegende Analyse des Bedarfs aus volkswirtschaftlicher Sicht wäre sicher ein Anfang. Solange wir aber an allem anderen, angefangen beim Gesundheitsmodell, den Forschungsansätzen bis zur statistischen Bewertung von Wirkung mittels evidenced – based basierend auf „Normgruppen“ und der Rollenverteilung festhalten, wird „Krankheit“ weiter zu und Gesundheit abnehmen.

Wir sollten im persönlichen, betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Interesse unsere impliziten Annahmen, die etablierte Methodik und die Entwicklungs-und Realisierungssettings in Frage stellen. Wir brauchen einen „Systems View of Life“ – von der Forschung bis zur konkreten Leistungserbringung für & mit Betroffenen. Im Falle der translationalen Medizin – einen Global Health CoCreator.

Warum? Wenn Sie wollen, begleiten Sie mich bei meinem Denkspaziergang und verstehen Sie selbst. Es braucht ein wenig Zeit!  10 min die ihr Denken verändern.

Wir stehen nicht nur im Gesundheitsbereich vor großen Herausforderungen, die von uns umdenken und dazulernen verlangen. Die stetig abnehmende „Volksgesundheit“ mit steigenden Zahlen psychosozialer Symptomspektren wie Burnout, Depression, Angststörung aber auch Adipositas und Magersucht ist ein guter Indikator der technologischen Kulturkrise oder der kulturellen Technologiekrise in die wir uns mit unseren Jahrhunderte alten, bisher erfolgreichen Denkmodellen, entwickelt haben. Wir behandeln unsere Denkmodelle als wären es naturwissenschaftlich eindeutig bewiesene Gesetze. Naturgesetze. Dies stimmt aber nicht! Jetzt spüren wir die Grenzen. Die Ängste vor der „Machtübernahme durch KI“ verschärfen die Situation weiter. Unsicherheit wächst, der Wunsch nach Klarheit – interpretiert als Einfachheit – zieht Rattenfänger an und die Menschen scheinen zu folgen. Nur – komplex adaptive Systeme sind nie einfach – aber man kann sie verstehen!

Die Allermeisten sind sich nicht bewusst, welche Annahmen sie unbewusst – implizit – machen, wenn sie reden, denken und handeln. Hierzu gehören beispielhaft der egoistische Mensch, wie ihn die Evolution angeblich geschaffen hat,  genauso wie der homo oeconomicus als zentrale Figur des noch aktuellen Wirtschaftsmodells. Es sind jedoch nur Modelle, die aus einem speziellen kulturellen Umfeld, einer Zeitströmung, dem wissenschaftlichen Erkenntnisstand und den technischen Möglichkeiten heraus entwickelt wurden. Sie sind eine Interpretation, die dringend nach einer Adaption aufgrund unseres heutigen Erkenntnisstands verlangen.

Da uns unsere Modelle jedoch nicht bewusst sind, versuchen wir immer noch mit überholten Ansätzen und Handlungsweisen die Zukunft zu gestalten und verschlimmern dadurch die Situation. Wir haben in den letzten Jahrhunderten so viele Einsichten, Wissen gewonnen. Was hindert uns, diese umzusetzen, um uns weiterzuentwickeln? Gerade auch für unsere Gesundheit und deren Erforschung?? Was steht unserem Fortschritt im Weg?

In der Medizin leisten wir uns immer noch die Annahme, dass alle Menschen gleich sind. Dass dies nicht stimmt wissen Alle! Scheinbar nur die Experten nicht! Wir bilden zunächst Normgruppen, um sie dann mühsam immer feiner zu granulieren. Anschließend versuchen wir mit hohem statistischen Aufwand und enormen Kosten in klinischen Studien die herauszufiltern, bei denen die erhoffte Wirkung eintritt – die „Evidenz statistisch signifikant“ wird. Nur was evidenced based ist, hat eine Chance auf Erwähnung, Vergütung und Anwendung.

Wissen wir überhaupt, worauf wir schauen müssen, um für den betrachteten Fall, die Gruppen sinnvoll zu normieren? Surrogatmarker? Wie soll das gehen mit Individuen, wie wir es sind, deren Individualität immer im Fluss ist und mit dem Alter zunimmt? Mit der heute vorherrschenden „Snapshot“ Datenlage, können wir  die Aussagen, die wir erbringen wollen, nicht machen. Das geht nicht einmal, wenn wir an einem überholten reduktionistischen Gesundheitsmodell festhalten, dass wenige biologische Einzelparameter als „sichere“ Indikatoren für Wirkung oder Nichtwirkung wählt. Es geht erst recht nicht in einem komplex adaptiven Modell  individueller, systemischer Gesundheit. Eine weitere, entscheidende (?) Frage, was Sicherheit in einem dynamischen System überhaupt sein kann, das sich in ständiger Wechselwirkung mit unterschiedlichen Umwelten befindet, wagen wir erst gar nicht zustellen. Später sprechen wir von iatrogen. Wäre es mit neuen Modellen vermeidbar?

Was hindert uns also „Health from cradle to grave“ zu realisieren, statt weiterhin Milliarden in selbstverursachte Krankheiten zu investieren? Die Angst vor Veränderung? Ist es der gerade in Deutschland ganz tief verinnerlichte Glaube der technischen Machbarkeit, der Mensch – der Ingenieur – als Gestalter, Beherrscher, der alles in den Griff bekommen und gezielt steuern kann – egal ob sich selbst mit quantified – self oder Patienten mit Gentherapie?  Oder ist es die die Angst vor Kontrollverlust? Nur, wer kann verlieren, was er heut schon nicht besitzt?

Unsere technisch – wissenschaftlichen Fähigkeiten haben uns weit gebracht, aber jetzt gilt es von der Natur – von komplex adaptiven Systemen – zu lernen. Was unterscheidet sie von Maschinen? Warum ist der mechanistisch reduktionistische, ingenieurtechnische Ansatz der Vergangenheit nicht der richtige, um Gesundheit zu ermöglichen, Krankheiten effektiv zu heilen oder Gesellschaften zu führen?

Es handelt sich um komplex adaptive Systeme, die ständig in Veränderung sind, die über viele Schleifen rückgekoppelt sind, die keine klaren Ursache – Wirkungsbeziehungen mehr erkennen lassen. Komplex adaptive Systeme sind emergent. Das bedeutet, das Gesamte, das Ergebnis einer Veränderung, ist mehr als die Summe der Einzelteile. Das Bild des Puzzles, falsches Gen raus, richtiges rein und alles funktioniert dauerhaft wie es soll (ja wie soll es denn?), widerspricht unserem Erkenntnisstand.

Komplex adaptive Systeme verändern sich immer in Bezug zu den Rahmenbedingungen wie wir derzeit gut bei Ökosystemen und Klima verfolgen können. Es entstehen Störungen, die dann wieder einen neuen „stabilen“- immer dynamischen Zustand übergehen. Nur mit welcher Zeitachse? Unser Pech aus Sicht unserer gewohnten Vorstellungswelt ist nur, wir können diesen Zustand weder konkret ansteuern, noch zeitlich präzise vorhersagen noch kontrollieren, wie wir es im „Maschinenbild“ gewohnt sind.

Was können wir nun tun? Unser Denkmodelle, Aufgaben, Rollen und Verantwortungen anpassen. Teil eines komplex adaptiven Systems werden!
Aus der Life Science Forschung der letzten 2 Jahrzehnte wissen wir, in der Natur gibt es nichts Überflüssiges (DNA Sequenzen) und keine zentralen, alles entscheidenden Steuereinheiten (Gehirn, Darm & mehr). Diese Erkenntnisse gilt es in neue Denkmodelle zu übertragen und anzuwenden. Dann können wir beginnen, zu verstehen wie Rahmenbedingungen und System, System und Einzelbestandteile (Mensch, Zelle.. ) zusammenarbeiten, aufeinander reagieren. Wie entstehen „Beziehungen“ in autopoietischen  Systemen? Wann zerfallen sie? Wann werden sie verstärkt? Was bedeuet das? Wie lange dauert es? Gibt es Sprünge? Was hat welche Konsequenzen  und wann für unseren individuellen Gesundheitszustand?

In unserem neuen Modell bestimmt gelungene Kommunikation -“ fern und nah“ – unser Wohlergehen. Kommunikation bestimmt auch, ob wir organisch innovationsfähig werden, d.h. selbstragend  Innovationschancen erfassen und vorantreiben. „Wie müssen Menschen zusammen arbeiten, damit Emergenz zu effektiverer translationaler Medizin führt?“ ist unsere zweite, große Frage.

Was schlage ich als Lösung vor? Einen Global Health CoCreator! 
Im Zentrum eines Global Health Co Creators stehen die Leistungserbringer – als Koordinierungsknoten – und die Betroffenen. Basis des konzeptionellen Ansatzes für Innovationen ist ein systemisch, komplex adaptives  Verständnis von Gesundheit. Wenn man will, Antonovsky – Handlungskompetenz und Handlungsoptionen als Schlüssel für Gesundheit – weiterentwickelt und für die Life Sciences und Medizin operationalisiert. Das bedeutet, zu Beginn wird eine gründliche, Modell – angepasste Analyse des Bedarfs der Betroffenen, ihrer Rahmenbedingungen und dem medizinisch-wissenschaftlichen Ist-Status gemacht. Die Beziehungen werden analysiert, komplex adaptive Segmente definiert und daraus ein IT Modell entwickelt, dass es später erlaubt, Erkenntnisse und Lernfortschritte – die Beziehungen zwischen Diagnose, Gesundwerdung, Maßnahme und Rahmenbedingungen – angepasst zu dokumentieren und auszuwerten (z.B. umiohealth).

Durch systematische Einbeziehungen systemischer Beziehungen werden ganz unterschiedliche, unerwartete Innovationsoptionen deutlich werden, die unterschiedliche Fähigkeiten zur Realisierung erfordern und neuen Forschungsbedarf verdeutlichen. In einem GHCC werden von Beginn an unterschiedliche Forschungsrichtungen, Industriesektoren und alle relevanten Sektoren der Leistungserbringung (Ärzte, Pflege, Weiterbildung, …) inkl. Betroffene und Angehörige eingebunden.  Das IT System dient dazu, die Beobachtungen & Erkenntnisse von Beginn an zu erfassen, auszuwerten und diese direkt wieder zu verteilen, um Lernen in der Breite der Disziplinen und Regionen zu beschleunigen, statt hierachisch festzuhalten.

Wir lernen so nicht nur schneller sondern auch anders, weil  unsere Denkmodelle durch die Wahrnehmung der Anderen wieder erweitert werden, ohne dass wir unsere Spezialisierung aufgeben.  Ich erwarte, dass wir dadurch zu neuen Erkenntnissen in den jeweiligen Disziplinen kommen, die ohne diesen Ansatz nicht möglich sind.

Produkt/Lösungsentwicklungskosten werden sinken, da die Marktforschungskosten minimiert werden, Investitionsentscheidungen werden deutlich sicherer, Markt- bzw. Geschäftsfeldentwicklungskosten sinken oder entfallen ganz, denn die Kunden  haben die Lösungen gewollt und miterarbeitet.

Neuartige Kommunikation und Klarheit über den Bedarf führen so zu einer besseren Balance zwischen betriebswirtschaftlichen und volkswirtschaftlichen Interessen im Gesundheitsbereich und zugleich zu einer nachhaltigen, organischen Innovationsfähigkeit – hoffentlich nicht nur in der translationalen Medizin

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