Für meine Gesundheit bin ich verantwortlich!

Wir Alle wollen möglichst lange möglichst gesund sein. Politisch, ideologisch werden zwei  Ansätze gegenüber gestellt: Daseinsvorsorge oder weitere Ökonomisierung. Ich – WIR – brauchen beides!

Eine Daseinsvorsorge, die Gesundheit für das Individuum  und die Gemeinschaft ermöglicht mit dem Individuum in der Hauptrolle sowie eine durchdachte, weitere Ökonomisierung der HighEnd Medizin. Dabei verstehe ich unter ökonomischem Handeln vor allem vorausschauendes Handeln mit rechtzeitiger Risikoidentifizierung, Vermeidung von reflexartigem Aktionismus zur Befriedigung von Einzelinteressen, eine überlegte Prozessgestaltung die mehr Technologie durchdacht nutzt, um das Wissen in der Breite jederzeit zugänglich zu machen und kostbare Expertenzeit freizusetzen, um wieder Freiraum für persönliche Zuwendung und angemessene Betreuung jedes Individuums zu ermöglichen.

Für die jeweiligen Minister bedeutet dies, mehr gestalten denn verwalten mit einer deutlich erweiterten und vorauschauenderen Perspektive als in der Vergangeheit.

Die Selbstverwaltung in ihrer heutigen Struktur ist überholt und sollte durch ein neues, demokratisches und dynamisches Konzept mit einer deutlich stärkeren, direkteren Mitgestaltung durch Bürger  – nicht nur Patienten – ersetzt werden. Ziel ist es dabei, Rahmenbedingungen und Ergebnisse zu definieren statt Einzelmethoden und Technologien.

Wie kommen wir dahin? – Wenn sie Lust haben begleiten sie mich bei meinem Denkspaziergang mit einer bewusst selektiven Perspektive. Sie betont einen Aspekt, der in den meisten Diskursen zu kurz kommt – die Rolle des Individuums im 21. Jahrhundert und wie daraus ein neues soziales Miteinander entstehen könnte.

Haben sie sich schon einmal gefragt, wieso eine Brillenträgerin, die ohne diese  Brille seit ihrem 20.Lebensjahr nicht mehr arbeits- und teilhabefähig gewesen wäre, die Brille selbst bezahlen muss, obwohl sie selbst aktiv nichts zur Verhinderung der Kurzsichtigkeit tun konnte?

Ein Typ 2 Diabetiker dagegen verlässt die Arztpraxis, kontrolliert und mit neuem Rezept zu Lasten der Solidargemeinschaft versorgt, um sich dann erst einmal ein Eis zu gönnen, statt eines flotten Spaziergangs, der in vielen Fällen genauso erfolgreich Diabetes vermindern könnte?

Wer nach einem fairen, tragfähigem Gesundheitssystem strebt und nicht das aktuelle Krankheitsverwaltungssystem beibehalten will, sollte nicht über Ökonomisierung der Medizin versus Gesundheit als Daseinsvorsorge streiten, sondern zunächst einmal zurücktreten, seine ideologische Brille absetzen und  die Ist -Situation aus unterschiedlichen Blickwinkeln offen betrachten. Ich wähle hier einen!

Wir brauchen einen neuen Realismus, in dessen Zentrum ein neues Bürgerbild steht. Denn es haben sich nicht nur das Krankheitenspektrum seit Bismarck und die technologischen, politischen und finanziellen Rahmenbedingungen deutlich verändert, sondern insbesondere auch die Menschen, ihre  Erwartungshaltung, ihr Nutzungs- bzw. Anspruchsverhalten – ihr Verständnis von Gesundheit.

Die Erhaltung und Pflege von Gesundheit verlangt andere Rahmenbedingungen, Mittel und Verantwortlichkeiten als die Wiederherstellung nach „massiven“ Schadenseintritt. Auf letzteres ist unsere HighEnd Medizin – nicht zu verwechseln mit Gesundheit – spezialisiert. Hierfür brauchten und brauchen wir Experten –  Ärzte, Pfleger, Wissenschaftler, Ingenieure.., – denn nur zusammen können sie die Erwartungen der Bürger, die hin und wieder Patienten sind, erfüllen und die hervorragenden Leistungen erbringen. Nicht gegeneinander!

Im Zeitalter der Volkskrankheiten sind jedoch neue Rollen und Verantwortlichkeiten gefordert. Vielleicht sollten wir uns eine banale Erkenntnis ins Bewusstsein zurückholen:

„Für meine Gesundheit bin ich verantwortlich!“

… und unsere heutigen Lebensbedingungen –  sprich die Rahmenbedingungen – sind hierfür wesentlich besser als vor 100 Jahren, wenn auch verbesserungsfähig. Dennoch – zu Viele verweigern sich dieser Erkenntnis. Kein Wunder! Nach intensiver jahrhunderterlangen Sozialisierung, die die Verantwortung auf den Experten – den Arzt – und die Sozialgemeinschaft übertragen hat- siehe §1 des SGB V – ist es ja bequem – hält aber nicht gesund!

§1 SGB V besagt:
Die Krankenversicherung als Solidargemeinschaft hat die Aufgabe, die Gesundheit der Versicherten zu erhalten, wiederherzustellen oder ihren Gesundheitszustand zu bessern.  …. Die Versicherten sind für ihre Gesundheit mitverantwortlich; …

Wie soll das gehen in einer hochindividualisierten Gesellschaft mit hohen Ansprüchen und geringer Bereitschaft zur sparsamen Nutzung? Wir können es uns nicht mehr leisten, immer „die Anderen – den Staat, die Besserverdienenden, die Konzerne, die Solidargemeinschaft…“ verantwortlich zu machen. Nicht nur aus wirtschaftlichen Gründen, sondern gerade aus demokratischen und gemeinschaftlichen Gesichtspunkten, denn wer keine Verantwortung hat, keine Konsequenzen spürt, der verhält sich auch nicht verantwortlich im Sinne von Ressourcen schonend und die Grenzen des Anderen anerkennend. Ihm, dem Bürger oder zumindest einem Teil davon – wird in vielen Diskussionen sogar die Fähigkeit abgesprochen, es überhaupt zu können. Dies ist unsozial, denn es entfähigt das Individuum und erhöht seine Abhängigkeit – macht es letztendlich wieder unfrei, nur unter einem neuen Deckmäntelchen – der Fürsorge. Versetzt es überspitzt gesagt in den Zustand eines unartigen Kindes zurück, das man gewähren lässt…. Wir können es täglich beobachten. Grenzen setzen und durchsetzen ist nicht nur in der Kindererziehung wichtig, sondern auch in einer sozial engagierten Gemeinschaft, gerade wenn Freiheit und Fairness erhalten werden sollen. Sozial handeln heißt Befähigung, Unterstützung und Einforderung von Verantwortungsübernahme und damit die Förderung des Selbstvertrauens und Selbstwertgefühls, des Zutrauens in meine persönlichen Fähigkeiten, mein Leben zu meistern – als eine zwingende Voraussetzung für nachhaltige Gesundheit.

Der Andere ist die Sozialgemeinschaft – wahlweise der Staat – in jedem Fall „WIR“, die einstehen sollen – für den Notfall. OK! Als Daseinsvorsorge – eher nicht! Wissen sie wann und wie der Begriff Daseinsvorsorge aufkam? Daseinsvorsorge kommt zu Beginn des 20.Jahrunderts auf, als die Industriearbeitnehmer in den Städten ihr Dasein nicht mehr gleichzeitig „durch Ihre Arbeit auf dem eigenen Acker“ bestreiten konnten, da sie in den Fabriken arbeiteten. Daseinsvorsorge war somit immer bi-direktional – mit einer Gegenleistung des Individuums an die Gemeinschaft verbunden. Und heute? Wir glauben bisher,  sozial sein beinhaltet, auf eine Gegenleistung des Individuums zu verzichten. Das ist aber unsozial, weil es zu Abhängigkeit führt und eine besondere ethisch moralische Qualität voraussetzt, die nur ganz Wenige von uns besitzen. Es schadet, weil es die Akzeptanz des Solidargemeinschaftsansatzes in Frage stellt, wenn es nur Ansprüche (Rechte) aber keine Verpflichtungen mehr gibt.

Was sollte/kann also die Gegenleistung des Individuums sein, wenn wir über Gesundheit als Daseinsvorsorge reden?  Sich um seine eigene Gesundheit kümmern, sie in die eigenen Hände nehmen und damit gleichzeitig auch einen Beitrag zur „Volksgesundheit“ leisten!

Die heutigen technischen Möglichkeiten ermöglichen eine „Rückübertragung“ von Gesundheitsverantwortung an das Individuum als ein wesentliches Element durchdachter Daseinsvorsorge für Gesundheit. Wir können Wissen und Erfahrung leicht verständlich und intuitiv erfassbar aufbereiten, um Lernen und Verstehen überall und in der eigenen Geschwindigkeit zu ermöglichen und zu begleiten. Wir können das Individuum unterstützen, seine individuellen Lebensbedingungen zu erfassen, ein individuelles, longitudinales, systemisches Profil zu pflegen und somit zu erkennen, was ihm gut tut und was nicht. Hieraus lassen sich dann wirksame Konzepte für individuelle Prävention bzw. Gesundheitsförderung entwickeln mit kurzen, messbaren oder spürbaren Feedbackschleifen und rechtzeitigen Maßnahmen, wenn sich Krisen andeuten. Wir werden lernen, wie individuell Krankheiten tatsächlich sind. Dies entspricht den Lehren der Vergangenheit, der Erwartungshaltung der individualisierten Bürger und wird auch Einzug in neue wissenschaftliche Modelle haben, die sich dem Thema „Was ist Gesundheit“ widmen.Die 4P Medizin erhält somit das Fundament, das ihr bisher fehlt.

Gesunderhaltung wird „Staatbürgerpflicht“ – statt Kassenleistung.
Die Rahmenbedingungen und infrastrukturellen Voraussetzungen zu schaffen, Bildung und kontinuierliche Unterstützung zur Befähigung bereitzustellen, ist der Beitrag des Staates zur Daseinsvorsorge.

Aber wer Verantwortung übernehmen soll, muss auch mitgestalten können – sowohl die Maßnahmen der Daseinsvorsorge für die Gesunderhaltung wie den Leistungskatalog der HighEnd Medizin, deren Ausführung weiterhin überwiegend in den Händen von Experten liegen wird.

Bei der Weiterentwicklung sollte ein besonderes Augenmerk auf einer deutlich verbesserten rechtzeitigen Diagnostik liegen verbunden mit einer intelligent unterstützen Kommunikation zwischen den Experten. Diese muss insbesondere den Anforderungen des Arbeitsalltags der Hausärzte als angedachten Integratoren gerecht werden. Die heutige Befundkommunikation adressiert diesen Bedarf nicht und verpasst die Chance, neue Erkenntnisse schneller in die Breite zu bringen.

Diagnostik war schon immer ein Stiefkind. In Zeiten von Mainstreamkrankheiten, die überproportional Expertenzeit und Ressourcen beanspruchen, verbunden mit einem großen Erkenntnisgewinn, der mangels überlegter Technologienutzung und Selbstüberschätzung nicht in der Breite ankommt, einer extremen Spezialisierung mit Schutzbehauptungsfunktion, die keinen Integrator mehr hat, getoppt durch Kürzung von Laborbudgets zugunsten von ?? Bildgebung??, wird es für alle „Nicht-Diagnostizierten“ ein schmerzhafter, langer Weg. Die Lebensqualität leidet sehr und die Leistungsfähigkeit wird stark eingeschränkt. Es würde mich sehr interessieren, wie viele vorzeitige Todesfälle es daher gibt und welche Zusatzkosten der Solidargemeinschaften entstehen. Für Diesel haben Einige mit mutigen Hypothesen eine Berechnung erstellt. Kennen Sie eine Berechnung für das Gesundheitssystem? Ich nicht!

Somit kommen wir zur Selbstverwaltung als Organisator und Finanzverwalter. Dieses System ist nicht nur undemokratisch, verkrustet, wenn nicht mehr… sondern einmalig und obsolet. Die Geldempfänger definieren auf allen Ebenen welches Geld sie wofür erhalten, ohne dass die Zahler einen Einfluss haben. Die Anreizsysteme sind so ausgestaltet, dass Volumen, Durchsatz wichtig ist. Sie sagen dem Zahler darüber hinaus noch, was er einkaufen muss und darf. Auswahl gib es keine und Preise können auch nicht verhandelt werden. Erinnert an Sozialismus!

Die kleinteilige Gängelei der Arztunternehmer durch GBA et.al. mit quartalsweisen Änderungen, deren versorgungspolitischer Sinn nicht zu erkennen ist, erschwert ein wirtschaftliches Führen einer Praxis genauso wie eine konzeptionell sinnvolle Betreuung von Patienten. Dies führt zwangsweise zur Konsolidierung, was aber auch Vorteile für Bürger hat, da damit die Chance besteht, dass die Wissens- und Erfahrungsbreite im MVZ größer und aktueller ist.

Die Bundesgesundheitsminister zeichnen sich bis zum heutigen Tag durch reflexartigen Aktionismus aus, mit ständigen minimalen Änderungen zur Befriedigung einzelner Interessengruppen häufig entgegen dem Bedarf und Nutzen der Bürger (Bsp.: Apotheker, die die Zukunft verschlafen haben). Ihr Gesundheitsverständnis setzt weiterhin auf Reparatur, das Individuum wird zum Ersatzteillager (Organspende), wobei ihm jedoch das Recht auf selbstbestimmten Tod verweigert wird.

Bei zukunftskritischen Themen allerdings mangelt es an Aufmerksamkeit. Wer einmal versucht hat, Berechnungen zur Tragfähigkeit unseres aktuellen Systems unter verschiedenen Entwicklungsszenarien zu erhalten, stößt bei Sachverständigen und Ministerium auf verwunderte Ohren. Scheinbar noch nie darüber nachgedacht. Kein Wunder! Uns fehlt hierzu eine verlässliche Daten Basis, denn nach wie vor stützen sich unsere Planungen und Zukunftsprojektionen auf Abrechnungsdaten. Diese spiegeln aber eher den aktuellen Abrechnungskatalog wieder, denn die wahre Morbidität.

Wie steht es mit der Sicherung der Medikamentenversorgung? Nicht gut, wenn wir die aktuelle Presse verfolgen. Hier gibt es gleich mehrere kritische Fragen:

  • Welche Handlungsmacht hat ein einzelner, nationaler Gesundheitsminister gegenüber Oligo/Monpolartig aufgestellten Konzerne, die auf D als Markt nicht mehr angewiesen sind.
  • Was bedeutet der Trend zur De-Globalisierung und Re-nationalisierung? US Firmen haben schon vor “Donnies Zeiten“ gerne die Wünsche ihrer Regierungen zu Lieferpräferenzen ausgeführt.
  • Wie fördern wir die Entwicklung von Medikamenten mit besonders hoher volkswirtschaftlicher Relevanz wie z.B. Antibiotika statt ein Dekade gegen Krebs aufrufen, die bestenfalls durch Chronifizierung gute Einnahmequellen langfristig sichert.

Noch relevanter, wenn das Individuum zum Hauptakteur für Gesundheit wird:

  • Wie könnte ein Ansatz aussehen, der den Leistungskatalog und die Rahmenbedingungen demokratisch und dynamisch an Bedarfe anpasst und Unternehmen Hinweise zu gewünschten Entwicklungsrichtung aus volkswirtschaftlicher Perspektive gibt?

Auch wenn die Sequenzierung des Genoms und deren Folgetechnologien Erkenntnisfortschritte gebracht hat, wird jetzt immer deutlicher, dass ein mechanistischer bottom – up Ansatz zwar eine hochprofitable Angelegenheit für die Industrie ist, aber dem System Mensch nicht gerecht wird und somit viele große Versprechen unerfüllt bleiben werden. Es stellt sich daher die Frage:

  • Wie entwickeln wir unsere wissenschaftlichen Modelle weiter von einem mechanistischen Ansatz der Medizin zu einem individuell, komplex-systemischen?
  • Was bedeutet das für Fragen der Sicherheit und Zulassung? Was kommt nach evidenced based? Ist evidenced based eher Risiko, den Schutz?

Und noch ein Satz zum Abschluss.  So sehr ich zu einer verstärkten, durchdachten Technologie Nutzung aufrufe, genauso vehement fordere ich mehr Bewusstsein über Grenzen jeder Technologie und den Aussagemöglichkeiten unter gewählten Randbedingungen. Dies ist ein erfolgskritisches Element jeder zukünftigen Ausbildung aber auch für den klinischen Alltag. So sind z.B. bei bildgebenden Verfahren, die Ziele und Messbedingungen deutlich zu kommunizieren, um klarzustellen, welche Aussagen möglich sind und welche fraglich, was eine Methode sicher sagen kann und was offen bleibt. Darüberhinaus gibt es heute Ärzte z.B. Neurochirurgen, die ihre Diagnose auf MRT, Röntgen, ENG und EMG aufbauen ohne je eine sorgfältige Anamnese geschweige denn körperliche Untersuchung durchgeführt zu haben. Das beantwortet zwar effizient, die Frage, OP ja oder nein, aber leider macht es nicht gesund.

Es gibt viel zu tun, Herr Spahn oder wer immer danach kommt!

 

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